Die Bugklappe der Fähre wird gerade geschlossen; der Hafenschlepper ist auch vor Ort; gleich werden wir ablegen. Es wird Zeit den Hafen von Izmir hinter uns zu lassen, denn wir haben schon jetzt eine Verspätung von gut einer Stunde. Du glaubst gar nicht, wie froh ich bin, jetzt endlich wieder auf dem Schiff zu sein. Diese ewige Warterei bei der Passkontrolle, der Fahrzeugkontrolle und beim Beladen des Schiffes schon wieder; alles zusammengezählt sind das fast 5 Stunden. Ich sitze gerade im Heck der Fähre, neben dem wasserlosen Pool und versuche meine Erlebnisse der vergangenen 3 Wochen im Geiste zu ordnen. Schliesslich will ich dir unsere Reiseerlebnisse in einigermassen chronologischer Reihenfolge erzählen.
Also, am 13. September 1997 bin ich mit László um
4.50 Uhr in Basel losgefahren. Oder besser gesagt, László fuhr mit mir los, ich bin
nämlich seine Sozia. Es war noch dunkel und die Strassen nass, es hatte in der Nacht
geregnet. Wir versuchten es trotzdem ohne unsere Regenkombis. Unser heutiges Ziel war
Venedig.
Die bevorstehende Reise hatte der Africa Twin Club Schweiz organisiert. Das heisst unsere zwei Aktivmitglieder Berna und Mandy. Beide sprechen türkisch und kennen das Land von früheren Reisen. Leider konnte Mandy selbst dann doch nicht teilnehmen. Sie hatte erst vor kurzem ihren Stammhalter zur Welt gebracht.
Wir wollten uns im Tessin in der Autobahnraststätte bei Chiasso treffen. Im ganzen hatten sich fünfzehn Personen auf 11 HONDA Africa Twins angemeldet. Die Fahrt nach Venedig verlief gut, wir hatten sogar noch Zeit, uns diese wunderschöne Stadt aus der Nähe anzusehen. Auch die Fahrt auf der Fähre in Richtung Izmir überlebten alle. Sie dauerte drei Tage und bot sehr wenig Abwechslung.
Berna informierte uns während der Überfahrt über organisatorische Dinge und legte uns nahe, während der Schiffahrt Reiseführer und Infomaterial zu lesen.
Es sei immer schade, in einem fremden Land Dinge zu sehen, aber nicht zu wissen
was es ist, meinte sie. Am Dienstag mittag fuhren wir in der Bucht von Izmir ein. Das
Meerwasser verfärbte sich plötzlich von einen schönen tiefen blau in ein schmutziges
stinkendes braun. Izmir schien keine Kläranlage zu besitzen und der Wasseraustausch
dieser Meeresbucht reichte wohl nicht aus, die Abwasser einer 7-Millionen-Stadt abzubauen.
Wir wurden
in den Hafen gelotst, bepackten unsere Motorräder und fuhren nach dem Anlegen der Fähre
aus dem riesigen Schiffsbauch. Am Hafen wurden wir von HONDA Türkey und der Presse
empfangen. Wir mussten etwas Platz machen, damit die hinter uns heraus fahrenden Autos an
uns vorbei konnten. Berna gab Interviews und wir versuchten in die Film- und Fotokameras
zu lächeln. Natürlich ist es nicht üblich, dass eine Reisegruppe so empfangen wird,
obwohl 11 gleiche Motorräder nicht jeden Tag zusammen durch die Türkei fahren. Berna
arbeitet in der türkischen Botschaft in Bern und ihr Onkel ist ein Mitglieder der
Geschäftsleitung der HONDA Türkey, so lässt sich in etwa erklären warum um uns so ein
Rummel entstand. Endlich konnten wir uns kurz "loseisen", wir mussten ja noch
die ganzen Zollformalitäten über uns ergehen lassen. Hinter dem Zaun, der den
Zollbereich von der Stadt trennte, entdecken wir David und Corinne. Beide wollten die
Türkeitour mit uns bestreiten, hatten aber keine Lust, fast drei Tage auf der Fähre zu
verbringen. Sie waren praktisch gleichzeitig wie wir losgefahren, hatten aber die ganze
Strecke auf dem Motorrad zurückgelegt. David versprach uns, hier im Hafen auf uns zu
warten, doch hatten wir eher angenommen, beide erst in Istanbul zu treffen. Wir freuten
uns über das Wiedersehen, und dass Ihre Reise so gut geklappt hatte. Die Presseleute und
die Vertreter der HONDA warteten in der Zwischenzeit ausserhalb des Zollgeländes. Beim
grossen Denkmal des Türkeigründers, Kemal Atatürk (Mustafa Kemal Pasa), stellten wir
uns noch einmal der Presse. Mit Polizeieskorte (natürlich auf Motorrädern) wurden wir
dann durch Izmir in Richtung Norden geschleust. Zum Glück hatten wir diese Unterstützung
der dortigen Ordnungshüter, Izmir hat einen fürchterlichen Verkehr und es wäre uns
bestimmt nicht gelungen, als so grosse Gruppe unterwegs nicht getrennt zu werden. Vier
Polizisten auf zwei Motorrädern begleiteten unsere Gruppe, beziehungsweise sperrten den
Verkehr so, damit wir ungehindert vorwärts kamen, sogar Rotlichter durften wir einfach so
überfahren. Es gab einige Autofahrer, die sich unserem Tross anschlossen. Für sie die
Gelegenheit ungehindert und auf schnellstem Weg durch die Stadt zu gelangen. Der
Strassenbelag war enorm schmierig. Wir waren froh, dass es nicht regnete, sonst hätten
wir bestimmt Schwierigkeiten gehabt auf zwei Rädern durch die Stadt zu kommen. Bei einer
HONDA-Vertretung machten wir Halt und wurden vom Ladenbesitzer freundlich begrüsst. Damit
wir möglichst schnell und zu einem guten Kurs unser Geld in Türkische Lire umtauschen
konnten, übernahm der Hondavertreter unser Geld und ging wechseln. Verköstigt mit
Getränken und Sesam-Brotringen sowie in Benzingesprächen vertieft, warteten wir auf
unser Wechselgeld. Der Kursverlust beim Wechseln in der Schweiz bzw. In Deutschland ist zu
gross, weshalb wir dies erst hier machten. Leider hatte unsere Polizeibegleitung
Feierabend, aber unsere HONDA-Freunde übernahmen den Part und führten uns aus der Stadt
hinaus. Am Ausgang der Stadt verabschiedeten wir uns von ihnen. Es war schon später
Nachmittag und wir wollten unbedingt noch über 250 km hinter uns bringen. Mir fiel in
Izmir selbst schon die grosse Bautätigkeit auf, doch hier ausserhalb der Stadt war es
noch viel schlimmer. Hier entstanden ganze Satellitenstädte. Aus der Ferne betrachtet
sahen alle Hochhäuser gleich aus. Kam man etwas näher, sah man, dass die einzelnen
Häuser jeweils ihn einer anderen Farbe gehalten wurden. Auf den Dächern waren überall
Wassertonnen zu sehen, gekoppelt mit einer Solaranlage. Hier eigentlich eine sehr gute
Idee um warmes Wasser zu produzieren. Dafür sah ich vielerorts Brennholz auf den
Terrassen aufgeschichtet, sogar auf Terrassen von Mietshochhäusern. Es schienen also
nicht alle mit Gas zu kochen. Um Izmir selbst ist die Landschaft kahl, alles ist
bräunlich und verdorrt. Doch je weiter wir von Izmir weg kamen, je grüner wurde es.
Unser Weg wurde von Gemüse- und Fruchtplantagen gesäumt. Immer wieder fuhren wir an
Ständen vorbei, wo die Erzeugnisse der Äcker direkt an der Strasse feil geboten wurden.
An den Hängen der Hügel, wo eine Bewirtschaftung des Bodens wesentlich schwieriger
wurde, standen Olivenbäume. Die Kinder an den Strassenrändern winken uns zu und freuen
sich, wenn wir Ihnen zurück winken. Es war schon dunkel, als wir in Assos ankamen. Wir
müssten uns aber noch eine Unterkunft für die Übernachtung suchen. Mitten auf einer
dunklen Nebenstrasse hielt der ganze Tross plötzlich an. Eine Militärpatrouille mit
Maschinengewehren bewaffnet stand vor uns und verlangte nach unseren Pässen.
Wir hatten zum Glück alle die richtigen Stempel drin
und dürften ungehindert weiterfahren. Unten am Meer machte Berna für uns ein schönes
Hotel ausfindig in dem wir übernachten konnten. Es war überhaupt kein Problem für 15
Personen unangemeldet im selben Hotel eine Unterkunft zu finden. Hier in der Türkei war
die Hochsaison praktisch vorbei.